Die Psychotherapie hat sich frühzeitig und intensiv mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die psychische Gesundheit beschäftigt, gleichermaßen mit möglichen psychopathologischen als auch therapeutischen Transformationen. Die 3. Dießener Klausur vom 15.-18. Juni 2023, will digitale Chancen und Risiken nicht gegeneinander ausspielen, sondern vielmehr die verantwortungsbewusste Gestaltung ihrer Potentiale für Fragen des psychischen Wohlbefindens herausarbeiten.
Medizinische Anwendungsmöglichkeiten sind stets ein gutes Argument dafür gewesen, neue Technologien frühzeitig zu erproben und anzuwenden. Das gilt auch für die Psychotherapie. Hier kommen schon länger virtuelle Expositionsverfahren, beispielsweise bei Phobien, Traumafolgestörungen und Suchterkrankungen zur Anwendung. Längst haben sich zudem Programme etabliert, die Psychotherapien anbahnen, vorbereiten, flankieren oder nachbereiten. Die Anwendungen im Rahmen von Apps und Plattformen unterscheiden sich in der Art der Kommunikation, wie sie mit Raum und Zeit umgehen, vor allem im Grad der Automatisierung beziehungsweise Individualisierung, das heißt wie viel sie an therapeutischer Beziehungsarbeit tatsächlich ermöglichen. In diesem Zusammenhang stellen sich übergeordnete Fragen nach der Bedeutung von zeitlicher und physischer Präsenz, und damit auch die Bedeutung von sinnlicher und körperlicher Erfahrung für die Psychotherapie. Dass der Webcam-basierte Transfer von Psychotherapie funktioniert, haben unfreiwillige räumliche Distanzierungen – sei es pandemiebedingt oder um Menschen in Kriegsgebieten zu erreichen – jüngst gezeigt.
Auf der anderen Seite waren die Folgen der Digitalisierung ganzer Lebensbereiche, steigende Mediennutzungszeiten und insbesondere die intensive Nutzung der Smartphones bereits früh auch Gegenstand der Sorge um die psychische Gesundheit. Neue Formen von Aufmerksamkeitspsychologie, wie sie von Social-Media-Plattformen und Games gezielt verwendet werden, haben problematische Folgen im Alltag und stellen Eltern und Pädagog*innen vor neue Herausforderungen. In der Form von Computerspielsstörung ist die Internetsucht mittlerweile von der WHO als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt. Sie tritt aber auch im Zuge einer exzessiven Nutzung von Sozialen Netzwerken, Video-Portalen, Cybersexangeboten und in Probe gestellt, im Zweifel zumindest hinsichtlich der Stellung des Menschen zwischen Natur und Technik, im Spannungsfeld von animalischen und maschinellen Existenzformen. Die dritte interdisziplinäre Dießener Klausur versucht ausgehend von diesen Fragen einen gestalterischen Impuls zu setzen und eine aufgeklärte Folgenabschätzung zu entwickeln.