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Administrieren und Leiten

Hochschulen sind unter anderem Großinstitutionen wie viele andere. Sie sind systemisch gegliedert in Fach- und Serviceabteilungen, in funktionale und traditionale Hierarchien, sie werden gemessen an Input und Outcome, und sie funktionieren hochgradig arbeitsteilig; ihre Organigramme sind komplizierte Schemata. Wie andere Großinstitutionen neigen sie zur Verselbstzweckhaftigung ihrer administrativen Reglemente und zur verschachtelten Metastufung ihrer administrativen Prozesse. Dies gilt alles umso mehr, insofern sie von institutioneller Autonomie entfernter sind als je in demokratischen Gemeinwesen, sich vielmehr eingeordnet finden in vielfache Berichts- und Rechtfertigungspflicht gegenüber anderen, indirekt übergeordneten geldgebenden Institutionen staatlicher, öffentlicher oder privater Art. Zur Bewältigung dieser vielfachen Obliegenheiten haben Hochschulen unterschiedlicher Körperschaft von jeher materielle und ideelle Technologien entwickelt.

Seit gut 20 Jahren erleben Hochschulangehörige die schrittweise Digitalisierung dieser Technologien. Dieser Prozess war von zahlreichen technisch verfrühten und konzeptuell unausgereiften Implementierungen gekennzeichnet, die viele Hochschulangehörige nachhaltig skeptisch und pessimistisch gestimmt haben gegenüber der Digitalisierung «ihrer» Hochschule. Bis heute existieren älteste Digitaltechniken (wie die E-Mail) parallel neben neueren Techniken wie Cloud Computing, internen Social-Media-Plattformen oder algorithmisch gesteuerter Informationsversorgung. Auf der Grundlage von Plattformen wie SAP wurden und werden ständig neue Programme und Anwendungen in den Betrieb eingeführt, sodass auch hier die technologische Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen technische Administratoren und beauftragte technikferne Anwendende immer weiter in die Komplexität hineintreibt. In der Wissenschaftskommunikation vollzieht man den disruptiv schnellen Wandel öffentlicher Kommunikation mit notgedrungen immer grösserer Latenz nach. Das Ältere verfügt dabei jeweils über erstaunliche und widerständige Dauer im Hochschulbetrieb, nicht zuletzt deshalb, weil viele der sehr unterschiedlichen Akteure der exponentiellen Beschleunigung der Digitalisierung andauernde und kulturell nachvollziehbare Resilienz entgegenbringen. Die erheblichen Anpassungsaufwände der ersten 20 Jahre fordern ihren Tribut.

Dazu treten objektivierbare Beschwerdegründe der Wissenschaftler*innen, insofern viele früher, im analogen Zeitalter, von administrativen Fachkräften auszuführenden Arbeiten seit gut 20 Jahren qua granulierender Anpassung der Aufgaben, ihrer Beschleunigung und der Echtzeitdokumentation ihrer Erledigung, kurz: ihrer Digitalisierung, auf die leitenden Hochschullehrer*innen zwecks Personalkostenersparnis verlagert worden sind. Dieses sieht sich dadurch, so verbreitete Wahrnehmungen, von seinem eigentlichen Qualifikations- und Arbeitsfeld abgezogen zu solchen Arbeiten, die entsprechende Expert*innen schneller, besser, zuverlässiger erledigen könnten. Messbare Kostenersparnis in den Personalverwaltungen steht eine unsichtbare Vergeudung von Ressourcen beim wissenschaftlichen Personal gegenüber.

Es ist für die Vision einer Hochschule der Zukunft also wichtig, darüber neu nachzudenken, wie die Technologien ihres Betriebs in einem digitalen Zeitalter materiell beschaffen sein müssen, um in der Hochschule von allen Akteuren als hilfreich und erleichternd verstanden werden zu können. Man denke dabei vor allem an das in seiner diffusen Massenhaftigkeit längst dysfunktional gewordene System der E-Mail, damit verbunden auch das PDF etc. Zugleich steht die Frage, wie man das heterogene Hochschulpersonal noch einmal neu und besser auf das Abenteuer einer umfassenden Digitalisierung einstimmt und davon überzeugt, sich aktiv und gestaltend an diesem Prozess zu beteiligen.

Neben diesen internen Herausforderungen einer Neuerfindung des Hochschulbetriebs unter den Bedingungen seiner umfassenden Digitalisierung, deren Bewältigung als Wünschbarkeit erscheinen mag, erhält die Situation aber dadurch eine enorme Dringlichkeit, dass externe kommerzielle Anbieter von Wissen und Zertifikaten mit Verve auf den Bildungsmarkt drängen. Dabei handelt es sich um global verankerte digitale Plattformbetreiber, die zu den relevanten technologischen Innovatoren unserer Zeit gehören. Deren technologische Lösungen für die oben beschriebenen Probleme könnten sich als so ausgereift und marktkompetitiv erweisen, dass den tradierten Hochschulen ein ernsthafter Konkurrent in ihrem Kerngeschäft erwachsen möchte. Wie sieht also eine kluge und für alle effektive Organisation und Administration in der digitalen Hochschule der Zukunft aus?

|Moderiert von Marko Demantowsky|