Schon länger ist es ein Topos, dass die Digitalisierung mit einer geistigen und kulturellen Verarmung einher gehe. Von Digital Demenz oder vom Ende des Buchs ist vielfach die Rede. Algorithmen übernehmen das Kommando auch in der Kultur, wenn AI-Systeme Musik komponieren und Bilder malen, die bei YouTube ihre Fans finden und bei Christie’s gehandelt werden. Was bleibt von den kreativen Fähigkeiten übrig angesichts von Deep Learning und den Versuchen, generelle Intelligenz maschinell nachzuahmen?
Tatsächlich ist die Sachlage komplizierter. Es werden mehr Bücher denn je gedruckt. Museen können sich vor Besuchern kaum retten und selbst Brettspiele finden mehr Käufer als jemals zuvor. Offensichtlich stehen sich nicht einfach digitale und analoge Kultur gegenüber. Eher ist die Digitalisierung die Umwelt gerade auch für die analoge Kultur. Sie scheint Prozesse der Individualisierung wie der Heterogenisierung der Kultur voranzutreiben, die älter sind als das Aufkommen von Computer und Internet. Historiker wie Thomas Nipperdey haben schon mit Blick auf das 19. Jahrhundert von der Ästhetisierung als der anderen Seite der Verbürgerlichung der Gesellschaft gesprochen.
Das berührt den Auftrag und das Selbstverständnis auch der Hochschulen. Sind sie noch der Freiraum für Kreativität und Innovation oder sind Google und Amazon längst schon die Orte, wo das Neue gedacht und entwickelt wird? Nicht wenige spekulieren, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis Universitäten, wie wir sie kannten, von Plattform-Hochschulen abgelöst werden, die sich den Weltmarkt für Bildung aufteilen werden. In welchem Umfang gehören Digital Skills oder gar die Befähigung im Umgang mit Machine Learning und Deep Learning zum Bildungsauftrag der Hochschulen? Sind Serious Games ein lohnender Weg, um spielend etwa die Geschichte des Alten Ägyptens zu lernen oder schicken wir unsere Kinder wie die Silikon Valley-Elite besser in den anthroposophischen Kindergarten?
Wie verhalten sich spezialisierte Expertise und allgemeiner Bildungsanspruch in Universitäten und Hochschulen, wenn die Komplexität der digitalen Entwicklungen so rasant zunimmt, dass eine Vermittlung kaum noch möglich erscheint.
Das Atelier stellt die Aufgabe zu überlegen, wie sich unsere Vorstellungen von Gestalten und Spielen als menschliche Grundfähigkeiten verändern oder gerade auch nicht verändern sollten, wenn alles digital zu werden scheint und das mit Blick auf Universitäten und Hochschulen, die vielleicht morgen schon ganz andere als die uns vertrauten Institutionen sein können.
|Moderiert von Gerhard Lauer|